Ehrlichkeit und Höflichkeit 

 

In unsrä Ferma word de oald Froanz in de Ruheschtoand geschickt. Ä woar werkli(s)ch net oanä vun

de beliebte Mitarweidä.  ´S woaräm allädings aach worscht un soate heifi(s)ch, wennä druf oageschproche worn seun, woarim seu Visaa(s)ch wirrä moal äh Loandkatt de Väbissehaat doarschtelle däht, i(s)ch will hier koan Weddbewerbb gewinne.. wä is de beliebteste Zaatgenoss vun Siedhesse.

I(s)ch,de Schor(s)chi Schnabbelschnut, koann mi(s)ch äinnern, doass de Froanz eunmoal mor(s)chens, noach eunä Begrießung vun mä...guude mor(s)che, Froanz, hosde ruhi(s)ch geschlowe heit noacht...geantwordd hodd: Des muss si(s)ch erst noch äweise, doasses heit eun guude Mor(s)che gewwe werd un meun Schloaf geht di(s)ch nix oa.

Vämutli(s)ch woar des ähli(s)ch gemeunt vun däm ewi(s)che Nerglä, awä halt sä uuheefli(s)ch.

Oan seunäm letzte Arweidsdaach hodd meun Schäff, Schreihans Winterschtorm,dä aach de Vogesetzte vum Froanz woar, äh kloa Oabschiedsrädd gehoalte.

 

  "Heit hebb i(s)ch die drauri(s)che Pfli(s)cht“,  begoann Hä Wintäschtorm,„unsern beliebte Mitarweidä,de Hä Froanz Groamgesi(s)cht, eun poar letzte Werddä fer seun näkste Läwensoabschnitt zu gewwe.“   Woas fer eun Gesielz, dacht i(s)ch mä, ä hädd soage misse, die goanz Belägschoaft

seun äleest un gliggli(s)ch den uuheefli(s)che, grimmi(s)che Depp, oan Uhrumpel, endli(s)ch los zu seun.

„Mä all seun zu tiefä Doankboarkaat väpfli(schtet“, daht de Schäff waatä liehe, „selwstlos hoddä stets alle Kollege geholfe wo`s nur ging.Ohne Sie, Hä Groamgesi(s)cht,werd uns woas fehle un die Ufgaabe wern uns schwärä falle als vohä. Oan diese Välust misse mä uns erst gewehne, unsre

Arweid werd ohne unserm sor(s)chfäldi(s)che, liewe Froanz woahrhafdi(s)ch net laa(s)chtä.“

Woas fer falsch Spri(s)ch, soate meu Äinnerung oan den Dabbes, `s hädd haaße misse: Jedäm vun uns missde uns ähn deires Geschenk mache, doass wä di(s)ch, du nergelndä, widdäli(s)chä Zaatgenoss so loang aasgehoalte häm. Awä, viellaa(s)cht kenne mä aach uf des Geschenk väzi(s)chte, mä seun nämli(s)ch jetz beraats rei(s)chli(s)ch beschenkt: Deu Oawäsehaat misse mä endli(s)ch

nemmä ädraache un unsre dä(s)chli(s)che Arweid werd entschpoanntä.

Schreihans Winterschtorm daht doann noch waatere geseiselt Komplimente eißern,will awä die geploagte Lesä doamit net waatä nervve.

De Froanz ähielt oan poar Geschenke un oan Blummeschtrauß. 

Addi(s)ch bedoankte si(s)ch de zukienfdi(s)ch Ruheschtändlä un faselte woas vun nette Wordde. Oagäbli(s)ch wärä tief geriehrt un dähte bedauern,doassä nemmä unnä so liewe Kollege schaffe derff.  Eun poar Daache vohä hoddä noch goanz anners gebabbelt, ä seu froh endli(s)ch nemmä so

ne bleed Arweid väri(s)chte zu misse.

Oan seunäm Oabschiedsdaach woarä also iwahaapt net ähli(s)ch un hodd gelouhe wie oan Bolitikä, defier woarä awä moal aasnoahmswaas heefli(s)ch.

Moan(s)che Kollege dahte ihm gratuliern zu seunäm Ruheschtoand. Woas duht`s doa iwahaapt zu

gratuliern gewwe, dacht i(s)ch väwerrt, ä seun halt net vohä oabgekratzt, des seun doch koa besunnä Leistung.    

Als i(s)ch meu Kollege so betrachte daht un oan meu Arweid in diesä Ferma dachte, dämmerte so loangsoam eune Äkenntniss in meun Hern:Viellaa(s)cht doch. Doass i(s)ch bishä die Wänd in eunä psi(s)chatrische Klinik  net vo inne  als Dauägast hebb betroachte misse, un des trotz de Ferma, is werkli(s)ch äh groß Wunnä, orrä sogoar eune fandasdisch Leistung.

 

 

 

Übersetzung:In unserer Firma wurde der alte Franz in den Ruhestand geschickt. Er war wirklich

nicht einer der beliebten Mitarbeiter. `S war ihm allerdings auch egal und sagte häufig, wenn er

daraufhin angesprochen wurde, warum sein Gesicht wieder mal eine Landkarte der Verbissenheit

darstellen würde, ich will hier keinen Wettbewerb gewinnen, wer ist der beliebteste Zeitgenosse von Südhessen.

Ich,der Schorschi Schnabbelschnut, kann mich erinnern, dass der Franzeinmal morgens, nach einer Begrüßung von mir....guten morgen,Franz, hast du ruhig geschlafen heut nacht...geantwortet hatte: Das muss sich erst noch erweisen, dass es heute einen guten Morgen geben wird und

mein Schlaf geht dich nichts an.

Vermutlich war dies ehrlich gemeint von dem ewigen Nörgler, aber halt sehr unhöflich.

An seinem letzten Arbeitstag hatte mein Chef, Schreihans Wintersturm,der auch der Vorgesetzte

Vom Franz war, eine kleine Abschiedsrede gehalten.

„Heute habe ich die traurige Pflicht“, begann Herr Wintersturm, „unseren beliebten Mitarbeiter,

den Herrn Franz Gramgesicht, ein paar letzte Worte für seinen nächsten Lebensabschnitt zu geben.“

Was für ein Gesülz, dachte ich mir, er hätte sagen müssen, die ganze Belegschaft ist erlöst und glücklich den unhöflichen, grimmigen Depp, einen ungehobelten Volltrottel, endlich los zu sein.

Wir sind alle zu tiefer Dankbarkeit verpflichtet“, log der Chef weiter, „selbstlos hatte er stets allen Kollegen geholfen wo`s nur ging. Ohne Sie, Herr Gramgesicht, wird uns was fehlen und die Aufgaben werden uns schwerer fallen als vorher. An diesen Verlust müssen wiruns erst gewöhnen, unsre Arbeit wird ohne unseren sorgfältigen, lieben Franz wahrhaftig nicht leichter.“

Wasfür falsche Sprüche, sagte meine Erinnerung an den ungeschicktenTrottel, `s hätte heißen müssen: Jedem von uns müsstest du ein teures Geschenk machen, weil wir dich nörgelnden, widerlichen Zeitgenossen so lange ausgehalten haben. Aber vielleicht können wir auch auf das

Geschenk verzichten, wir sind nämlich bereits reichlich beschenkt: Deine Anwesenheit müssen wir endlich nicht mehr ertragen und unsere Arbeit wird entspannter.

Schreihans Wintersturm äußerte dann noch weitere geseuselte Komplimente, will aber die geplagten Leser nicht weiter damit nerven.

Der Franz erhielt ein paar Geschenke und einen Blumenstrauß.

Artig bedankte sich der zukünftige Ruheständler und faselte was von netten Worten. Angeblich wäre er tief gerührt und bedauerte, dass er nicht mehr mit so lieben Kollegen arbeiten darf. Ein paar Tage vorher hat er noch ganz anders gesprochen, er sei froh endlich nicht mehr so be blöde Arbeit verrichten zu müssen.

An seinem Abschiedstag war er also überhaupt nicht ehrlich und log wie ein Politiker, dafür war er aber mal ausnahmsweise höflich.

Manche Kollegen gratulierten ihn zu seinem Ruhestand. Was gibt es da überhaupt zu gratulieren, dachte ich verwirrt, er ist halt nicht vorher abgekratzt, das ist doch keine besondere Leistung.

             Als ich meine Kollegen so betrachtete und an meine Arbeit in dieser Firma dachte, dämmerte so langsam eine Erkenntniss in meinem Gehirn: Vielleicht doch. Dass ich bisher die Wände einer psychatrischen Klinik von innen nicht als Dauergast habe betrachten müssen, und das trotz der Firma, ist wirklich ein großes Wunder oder sogar eine fantastische Leistung.