Goethe—nur ein hessischer Possenversbastler?

 

Gestern hodd de oald Siggi zu mä gesoat, de Geeth wär nur eun hessi(s)chä, halbbleedä Posseversbastlä gewäse“, babbelte Heunä, „i(s)ch hobben wirräsproche. Woas meunst du doann zu diesä Behaaptung, Klausi?“

„Niemoals“,daht unsä Schäff-Filosof mit de Hend oabwehrn, „de Siggi duht heifi(s)chä Mill schwätze, dä wo zim Himmel schtinke duht. Die Gedi(s)chte vum Geeth seun hohe Di(s)chtkunst vum Feunste, sä tiefgriendi(s)ch, eun Juweel, eun Gloanzstick de deitsch Hochkuldurschproach. Heert moal zu, woas unsä Di(s)chtävobild moal kre..iert hodd:  

Schun als i(s)ch ähn dummä kloanä Bu woar,

häm mi(s)ch die Mäd(s)chä begaastert, des is woahr.

Als Juuchendli(s)chä sehnte i(s)ch mi(s)ch noach nä lieb Fraa

un eunes Daachs...ja doa woar eune fer mi(s)ch da.

                  

Doann woar nix mä mit Kneipelaafe un schee saufe

aach nix mä mit defdi(s)ch Briehelei un raufe.

Se soate: „Heer uf wie ähn Hannebambel zu wimmern

Jetz duh gefälli(s)chst di(s)ch um mi(s)ch kimmern.

Schpätä kimmt doann noch ä sieß Bobbel(s)che

des rim hippt wie äh frech puddsi(s)ch Hobbel(s)che.“

 

Woas bliew mä iwwri(s)ch, i(s)ch musst mi(s)ch fie(s)che

awä:

Mä koann si(s)ch aach mit Familje frehli(s)ch vägnie(s)che.

Des Gedi(s)cht seun doch werkli(s)ch gelunge, gell?“

In seunäm Gesi(s)cht woar die respektvoll Bagaasterung als Mimik eugegroabe, Klausi gliehte vo Ägriffehaat.“I(s)ch koann mi(s)ch nur wirrähoole.....sä gelunge...genaa gedroffe die Freide un Probläme zwischemenschli(s)chä Beziehunge.“

„I(s)ch waaß net“, Babett(s)che wie(s)chte ihrn Wersching hie un hä, „so seun doch die Männä goar net, nur schtänni(s)ches Kneipelaafe, saufe un brieheln.“

„Viellaa(s)cht woar des vo zwaahunnerd Johrn annersdä“, moante Heunä, „orrä mä daff des net so werddli(s)ch nemme, sunnern simbooli(s)ch.“

„Stimmt“,niggte unsä Schäff-Filosof, dä ja aach unsä Dorffdi(s)chtä woar,„woas moanst du denn dezu, Schor(s)chi?“

„I(s)ch glaab net, doass des Gereumte vum Geeth stoamme duht“, daht i(s)ch oantwordde,“ `s heert si(s)ch oa, als däht des äh Versbastelei vun dä seun, Klausi.“

Hm...hm“,moan Freind iwälä(s)chte, „viellaa(s)cht hosde rä(s)cht, Schor(s)chi. Jetz waaß i(s)ch a, woarim i(s)ch des aaswänni(s)ch vodraache konnt, vämutli(s)ch woar des eunes meunä Erstlingswerke.“

 

Übersetzung:„Gestern sagte der alte Siggi zu mir, der Goethe war nur ein hessischer, halbblöder Possenversbastler“, schwätzte Heiner, „ich habe ihm widersprochen. Was meinst du denn zu dieser Behauptung, Klausi?“

„Niemals“.wehrte unser Chef-Filosof mit den Händen ab, „der Siggi redet häufig nur Müll, der zum Himmel stinkt. Die Gedichte vom Goethe sind Dichtkunst vom Feinsten, Juwele, Glanzstücke der deutschen Hochkultursprache. Hör mal zu, was unser Dichtervorbild mal kre..iert hat:

 

Schon als ich ein kleiner dummer Bub war

haben mich die Mädchen begeistert, das ist wahr.

Als Jugendlicher sehnte ich mich nach einer lieben Frau

und eines Tages...ja da war eine für mich da. (reimt sich nur auf hessisch)  

 

Dann war nichts mehr mit Kneipengehen und schön saufen

auch nichts mehr mit deftiger Prügelei und raufen.

Sie sagte: „Hör auf wie ein Schwächling zu wimmern

jetzt tu gefälligst dich um mich kümmern.

Später kommt dann noch ein süßes Bobbelchen  (Baby, Kleinkind 

das rum hüpft wie ein frech putzig Hobbelchen,“   (Häschen)

 

Was blieb mir übrig, ich musste mich fügen

aber:

Man kann sich auch mit Familie fröhlich vergnügen.

Dieses Gedicht ist doch wirklich gelungen, gell?“

In seinem Gesicht war die respektvolle Begeisterung als Mimik eingegraben. Klausi glühte vor Ergriffenheit. „Ich kann mich nur wiederholen......sehr gelungen......genau getroffen die Freude und Probleme zwischenmenschlicher Beziehungen.“

„Ich weiß nicht“, Babette wiegte ihren Kopf hin und her; „so sind doch die Männer gar nicht, nur ständiges Kneipengehen, saufen und prügeln.“

„Vielleicht war das vor 200 Jahren anders“, meinte Heiner, „oder wir dürfen das nicht so wörtlich nehmen, sondern symbolisch.“

„Stimmt“, nickte unserChef-Filosof, der ja auch unser Dorfdichter war, „was meinst du denn dazu, Schorschi?“

„Ich glaube nicht, dass das Gereimte vom Goethe stammt“, antwortete ich, „es hört sich an,als würde dies eine Versbastelei von dir sein, Klausi.“

„Hm...hm“, mein Freund überlegte, „vielleicht hast du recht, Schorschi. Jetzt weiß ich auch, warum ich das auswendig vortragen konnte, vermutlich war es einer meiner Erstlingswerke.“