Goethe, Hessischer Dialekt und Hochdeutsch
       weiter unten noch: Goethe, Edelmann der Künste  (mit Kurzvideo 1m16s)


„Aasäm Intänet hebb i(s)ch äfoahrn“, daht Lena Bescheide unsre Filosooferund äeffne, „de Geeth hodd goar koan hochdeitsch gebabbelt, sunnern hessi(s)ch Dialekt.“
„Des is aach meun Informaddsjoonschtoand“, nickte Klausi, „zu dä doamoali(s)ch Zaat häm fast alle Leit nur Dialekt geschproche, aach de Di(s)chtä Schillä soll miendli(s)ch nur geschwäbelt hobbe.“
„Also haaßt des, des sogenoannte Hochdeitsch is nur eune kienstli(s)ch Schproach un die Dialekte seun des Nadierli(s)che,“ ägänste i(s)ch.
„So isses“, nickte Klausi. „in jingere Joahrn hodd de Geeth aach Verse im Dialekt gereumt, bevo ä fers Schriftli(s)che nur noch die sogenoannt deitsche Schdoandardeunhaats..schproach benuddse daht.“
„Is des werkli(s)ch so ?“ froate Babett(s)che, „doa misste es doch noch euni(s)che Verse vunnäm gewwe, die wo aach zu unsrä Filosooferund hier basse.“
„Awä selwstväschtännli(s)ch duhts die gewwe“, moante unsä Dorffdi(s)chtä Klausi Vielreddnä, „duht moal
 lausche, Filosoofe:



Zwaa Buhwe hockte uf eunä Boank
de eune roch, de annä schtoank
doa soate, de roch zu däm, dä stoank:
geh hock di(s)ch uf ne annä Boank“

„So viel i(s)ch waaß“, daht Lena euwenne, „woar des koa Werk vum Geeth, sunnern vum Kall Vallentien.“
„Joa un noa“, Klausi bewä(s)chte seun Kopp hie un hä, als wolltä Bedenke eißern, „des urschpringli(s)ch
Gedi(s)cht koam vun däm weltbekoannte hessi(s)che Heumoatdi(s)chtä. Die Kall Vallentien hodd des doann hunnerd Joahrn schpätä ins hochdeitsche iwäseddst.“
„Er(s)chendwie is diesä Vers net werddi(s)ch fer so eun grooßä Di(s)chtä“, moante Ludwig, unsä Edelhä, „woas fer ein schmuddsi(s)ch schtinki(s)ches Thema.“
„Iwähaapt net“, daht Klausi wirräschpre(s)che, „in diesäm Werk kimmt sä deitli(s)ch zim Aasdruck, doass hier die zwischemenschli(s)che Beziehunge doch ar(s)ch  zu wiensche iwwri(s)ch loasse.“

„Schtimmt“, nickte i(s)ch, „soddsjoales Mitgefiehl is in däm Vierzeilä werkli(s)ch net zu schpiern.“
„Wieso denn des?“ froate Ludwig.
„Is doch kloar, Ludwig“, daht i(s)ch väsuche ihn ufzuklärn, „dä Rie(s)chä kennt aach goans anners reagiern. Zim Baaschpiel kenntä babble:  Offensi(s)chtlich, meu Noas duhts beschdädi(s)che, hosde Schwieri(s)chkaate Ferz hier zurick zu hoalte. Viellaa(s)cht duhsde zu viele Hilsefri(s)chte fuddern. I(s)ch waaß, deu Bagaa(s)ch hodd net viel Geld fer annä Esse, un so misstä halt schpachteln, woas uffen Disch kimmt. Wenn de wirrä moal soon Darmmdroang schpiern duhst, doann geh korz zwaa Metä weg un schieß los. Doann daffsde gern zurick zu mä kimme, di(s)ch newwe mä hocke un wä diskudiern iwä Godd un die Welt.“
„Jawoll, Schor(s)chi“, nickte Klausi, „eun sä gutä Voschlaach.  Fer dän Geeth woar so woas nadierli(s)ch koan Brobläm. Diesä Moann hodde schun vun Kind oa keunälei finanzjelle Schwieri(s)chkaate un konnt esse, woassä wollte. Ä konnte si(s)ch halt de hee(s)chä Kunst, zim Baaschpiel Deadä, voll widme un in dä Hiesi(s)cht noach Vollendung schträbe.“


Übersetzung: „Aus dem Internet hab ich erfahren“, eröffnete Lena Bescheiden unsere Filosofenrunde, „ der Goethe hat gar kein hochdeutsch gesprochen, sondern Hessischen Dialekt.“
„Das ist auch mein Informationsstand“, nickte Klausi, „zu der damaligen Zeit sprachen fast alle Leute nur Dialekt, auch der Dichter Schiller soll mündlich nur geschwäbelt haben.“
„Also das heißt, das sogenannte Hochdeutsch ist nur eine künstliche Sprache und die Dialekte sind das Natürliche“, ergänzte ich.
„So ist es“, nickte Klausi, „in seinen jüngeren Jahren reimte der Goethe auch Verse im Dialekt, bevor er für das Schriftliche nur noch die sogenannte deutsche Standardeinheitssprache benutzte.“
„Ist das wirklich so?“ fragte Babettchen, „da müsste es doch auch noch einige Verse von ihm geben, die hier auch zu unserer Filosofenrunde passen.“

„Aber selbstverständlich gibt es die“, meinte unser Dorfdichter Klausi Vielredner, „tut mal lauschen, Filosofen:
Zwei Buben hockten auf einer Bank
der eine roch, der andere stank
da sagte, der roch zu dem der stank
geh setz dich auf eine andere Bank.“

„So viel ich weiß“, wand Lena ein, „war das kein Werk von Goethe, sondern von Karl Valentin.“
„Ja und nein“, Klausi bewegte seinen Kopf hin und her, als wollte er Bedenken äußern, „das ursprüngliche Gedicht kam vom weltberühmten hessischen Heimatdichter. Der Karl Valentin hat das dann hundert Jahre später in das Hochdeutsche übersetzt.“
„Irgendwie ist dieser Vers nicht würdig für so einen großen Dichter“, meinte Ludwig, unser Edelherr, „was für ein schmutzig stinkiges Thema.“
„Überhaupt nicht“, widersprach Klausi, „in diesem Werk kommt sehr deutlich zum Ausdruck, dass hier die zwischenmenschlichen Beziehungen doch arg zu wünschen übrig lassen.“
„Stimmt“, nickte ich, „soziales Mitgefühl ist in dem Vierzeiler wirklich nicht zu spüren.“

„Wieso denn das?“ fragte Ludwig.
„Ist doch klar, Ludwig“, versuchte ich ihn aufzuklären, „der Riecher könnte auch ganz anders reagieren. Zum Beispiel könnte er sagen: Offensichtlich, meine Nase bestätigt es, hast du Schwierigkeiten Fürze hier zurück zu halten. Vielleicht futterst du zu viele Hülsenfrüchte. Ich weiß, deine Bagage hat nicht viel Geld für anderes Essen und so müsst ihr halt spachteln, was auf dem Tisch kommt..Wenn du wieder mal so einen Darmdrang spürst, dann geh kurz zwei Meter weg und schieß los. Dann darfst du gern zurück zu mir kommen, dich neben mir setzen und wir diskutieren über Gott und die Welt.“
„Jawoll, Schorschi“, nickte Klausi, „ein sehr guter Vorschlag. Für den Goethe war so was natürlich kein Problem. Dieser Mann hatte schon als Kind keinerlei finanzielle Schwierigkeiten und konnte essen, was er wollte. Er konnte sich halt der höheren Kunst, zum Beispiel Theater, voll widmen und in dieser Hinsicht nach Vollendung streben.“


Goethe, Edelmann der Künste

„De Geeth woar eun woahrhafdi(s)chä Edelmoann de hee(s)chä Kunst“, babbelte Klausi uf de näkst Filoooferund, „ich hebb deriwwa eun korzesVideo kre..iert. Des sollte mä uns jedds moal oagucke.“
Noach eunä Eiwilli(s)chung unsräsaats dahtä net froage, ä klappte sofordd seun mitgebroachte Läbbdobb uf un zei(s)chte uns seun Werk:

      Hintergrundmusik: Für Elise-Beethoven (No Copyright Music)
„Des is mä doch gut gelunge, gell?“ Seu Visaa(s)ch stroahlte.
„I(s)ch hebb doa moal äh Froag, Klausi“, meun kridisierend Tonfall woar net zu iwäheern, „woas soll des bedeite   lalle wie eun Di(s)chtä, feu?“
„Is doch kloar“, moante unsä Dorffdi(s)chtä un bewä(s)chte seu Händ ebbes aaseunannä, „selwsväschtännli(s)ch is des koan normoales Lalle, wie etwoa vun eunäm Gossepennä, dä wo torkelnd aas de Kaschemme raas woanke duht, sunnern eun Lalle aas dä die Hochkunst mit jedäm Laut in dän Äthä si(s)ch aasbreite duht.“
„Doa muss i(s)ch awä energi(s)ch wirräschpre(s)che“, kridisierte Heunä, unsä Koampfdrinkä, „aach des Lalle vun eunäm Bedrunkene koann viel, moan(s)chmoal sogoar sä viel, iwä des Läwe un de Äksisdens des menschli(s)che Doaseuns väzähle.“
Leidä waaß i(s)ch heit nemmä, woas wä deriwwä oaschließend gebabbelt häm, koann mi(s)ch awä noch äinnern, doass de Heunä oan jänem Oawend schtorzbedrunke vum Kneipeschtuhl gefalle is.
Woar dies Äei(s)chniss beraats eun Akt de Hochkuldur?


Übersetzung:
„Der Goethe war ein wahrhaftiger Edelmann der höheren Kunst“, schwätzte Klausi auf der nächsten Filosofenrunde, „ich hab darüber ein kurzes Video kreiert. Das sollten wir uns jetzt mal angucken.“
Nach einer Einwilligung unsererseits fragte er nicht, er klappte sofort seinen mitgebrachten Laptop auf und zeigte uns sein Werk.


„Das ist mir doch gut gelungen, gell?“ Sein Gesicht strahlte.
„Ich hab da mal eine Frage, Klausi“, mein kritisierender Tonfall war nicht zu überhören,  „was soll das bedeuten  lallen wie ein Dichter, fein?“
„Ist doch klar“, meinte unser Dorfdichter und bewegte seine Hände etwas auseinander, „selbstverständlich ist das kein normales Lallen, wie etwa von einem Gossenpenner, der torkelnd aus der Kaschemme wankt, sondern ein Lallen aus der die Hochkultur mit jedem Laut sich im Äther ausbreitet.“
„Da muss ich aber energisch widersprechen“, kritisierte Heiner, unser Kampftrinker, „auch das Lallen eines Betrunkenen kann viel, manchmal sogar sehr viel, über das Leben und der Existenz des menschlichen Daseins erzählen.“
       Leider weiß ich heute nicht mehr, was wir anschließend darüber geredet haben(hatten), kann mich aber noch erinnern, dass der Heiner an jenem Abend sturzbetrunken vom Kneipenstuhl fiel.
War dieses Ereignis bereits ein Akt der Hochkultur?