Dieburg, Stadt der Frommen  (mit Video 3m24s)


„Unsä Kreis duht joa Dammschdadd-Dibbor(s)ch haaße“, babbelte Macko, unsä Sehn(s)che oam Middaachsdisch, „in Dammschdadd woarn wä schun oft, in Dibbor(s)ch noch koan eunzi(s)ches moal, i(s)ch woar dordd noch nie.“
„So woas Besunneres is die Schdadd aach net“, moante meu Fraa, Lisett(s)che, „friehä als Kind un Juugendli(s)che seun i(s)ch dordd oft ufgekreizt, awä nur, waal i(s)ch doa jemoand nähä kannte.“
„Diesen Ordd kenn i(s)ch aach net, i(s)ch bin doa nur so euni(s)chemoale oam Roand vobaa gefoahrn“, musst i(s)ch gschtehe.
„Djoa, doa sollte wä doch moal uubedingt Dibbor(s)ch besuche“, daht Macko voschlaache, „gucke uns die Inneschdadd oa un väweile doann noch in eunä Eisdiel.“

„Guud, mache wä“, nickte i(s)ch, „mor(s)che noachmiddaachs hebb i(s)ch Zaat defier, so etwoa oab halbfienf.“
So koams, doass wä näksde Daach dordd hie tigerte. Lisett(s)che daht in Dammschdadd aasäm Audo schtei(s)che, se wollte net waatä mit. Awä Macko, unsä Dechdä(s)che Marie(s)che un die Trudehiendin dahte im Wouhe bleiwe.
In de Inneschdadd vun Dibbor(s)ch dahte mä doann raas hippe un besi(s)chdi(s)chte die Oaldschdadd. Se is dor(s)chaas sehenswert, schtellte i(s)ch fest, viele Fachwerkheisä, awä aach annern scheene, oalde Gebeide, unnä annerem märere Ker(s)che.
Vo eunä Ker(s)ch hockte wä uns uf eune Boank un fudderte Kekse un Schokoload, die wo i(s)ch in eunä Umhängedasch mitgenumme hebb.
Eun Moann im middlere Oaldä äschien un froate: „Daff i(s)ch mi(s)ch zu ihne hocke? I(s)ch muss mich ebbes aasruhn.“
„Awä selwsväschtännli(s)ch“, oantworddete i(s)ch, „hier kenne sogoar ohne waateres fienf Leit Pladds finne.“
Ä woar vämutli(s)ch so oald wie i(s)ch, orrä nur ebbes eldä. Ä faltete seu Händ, guckte erst mit gesenktäm Kopp noach unne un doann noch obbe, in Ri(s)chtung Glocketorm vun de Ker(s)ch. Debaa dahtä die Lippe vun seum Meil(s)che bewä(s)che. Wä dahte awä nix heern.
„Woas macht denn dä Moann?“ froate Marie(s)che.
„Vämutli(s)ch duhtä bäte“, klärte i(s)ch des Mäd(s)che uf.
„Och, so woas is doch iwäflissi(s)ch“, krähte Marie(s)che, „des duht doch goar nix niddse. Des hebb i(s)ch selwä schun gemerkt un deshalb....“
„Sei schtill“, ämoahnte i(s)ch des Kinn, „de Hä hier will jedds beschtimmt net geschteert wern.“.
Deruf hie babbelte Marie(s)che nix mä, aach de Macko daht schtumm bleiwe.
Noach uugefäh eunä Minut soate de Moann: „So, i(s)ch bin ferddi(s)ch mit meum schtille Geschprä(s)ch mit meum Hägodd,“ un so noach nä korz Gedoankepaus, „du, Mäd(s)che, duhst also nemmä zu Godd bäte?“

„So isses“, nickte meu De(s)chdä(s)che.
„Meu Familje un i(s)ch seun hoalt koa fromme Mensche“, informierte i(s)ch, „wä seun noch nettemoal gleibi(s)ch. I(s)ch waaß, hier in Dibbor(s)ch seun die maaste Leit ar(s)ch fromm.“
„Ouh, des is awä schlimm“, daht de Moann kloage, „doa wern se net ins Himmelrei(s)ch kumme. Die Dibbor(s)chä häms doa bessä, in unserm Schdädd(s)che duhts säks Ker(s)che gewwe un die wern aach gebraacht.“
„Schee fer die Leit hier, wenns werkli(s)ch so wär. Mä is eiä Godd noch net begee(s)chnet“, eißerte i(s)ch.
„Waal se si(s)ch net bemiehe un deshalb in Siend väharre. I(s)ch duh meum Hägodd heifi(s)ch begä(s)chne, wenn aach nur noachts in de Dreem. In denne awä rejelmäßi(s)ch.
Zuleddst hoddä mi(s)ch be..ufdraacht, Addeiste zim Glaabe fiehrn.
I(s)ch nemm oa,se seun so oanä, wärddä Hä.  Duhn se si(s)ch vun ihrm Uuglaube, oam beste sofordd, griendli(s)ch väobschiede.“
Nadierli(s)ch wusste i(s)ch glei(s)ch, doasses vägäbli(s)ch wär, mit däm Moann eune sinnvulle Diskussjoon zu fiehrn un väschpierte aach koa Lust in seune Gedoanke Impfkristalle des Zwaafels zu schtreie. Si(s)chä hädd doa nur seu Gemiet ar(s)ch gelidde.
„Noa joa“, daht i(s)ch eune geschpielt iwälee(s)chende Mien ufseddse, „i(s)ch will nochemoal meun Hern demit zämaddern.“
Wä väoabschiedete uns doann.
„Wä zämaddern unsä Hern jedds awä net demit“, soate korze Zaat schpätä Macko, „wä misse uubedingt sofordd eune Eisdiel besuche. Des Gebabbel mit däm fromme Moann hodd  zwoar net meu Hern er(s)chendwie beoaschprucht, awä meu Gefiehlsloag is ar(s)ch heiß geworn un muss dringend dorch gelutschte Eiskuheln eunä kiehl Äfrischung entgeje schträbe.“
Sol(s)ch Schpri(s)ch vum Macko iwäraschte mi(s)ch net. Wenn die Aas..si(s)cht beschteht, Eis zu luddsche, duhtä alleweil de gliehend ähiddste Buh schpiele.



In Dibbor(s)ch seun viele Leit ar(s)ch fromm
duhn mämoals jede Daach inbriensdi(s)ch bäte
gucke  ährfer(s)chdi(s)ch hoch zim Glocketorm
duhn selwst in Noachtdreem ihrn Glaube väträte.

    Hintergrundmusik: Breeze Fantastic Fresh -MBB (NCM)


Übersetzung: „Unser Kreis heißt ja Darmstadt-Dieburg“, sagte Marko, unser Söhnchen, am Mittagstisch, „in Darmstadt waren wir schon oft, in Dieburg kein einziges mal, ich war dort noch nie.“
„So was Besonderes ist diese Stadt auch nicht“, meinte meine Frau, Lisettchen, „früher, als Kind und Jugendliche, bin ich dort oft aufgekreuzt, aber nur, weil ich damals da jemand näher kannte.“
„Diesen Ort kenne ich auch auch nicht, ich bin da nur so einige male am Rand vorbei gefahren“, musste ich gestehen.
„Dja, da sollten wir doch unbedingt mal Dieburg besuchen“, schlug Marko vor, „gucken uns die Innenstadt an und verweilen dann noch in einer Eisdiele.“
„Gut, machen wir“, nickte ich, „morgen nachmittags hab ich Zeit dafür, so etwa ab halbfünf.“

So kam es, dass wir nächsten Tag dort hin tigerten. Lisettchen stieg in Darmstadt aus dem Auto aus, sie wollte nicht weiter mit. Aber Marko, Mariechen, unser Töchterchen, und die Trudehündin blieben im Wagen.
In der Innenstadt von Diburg stiegen wir aus und besichtigten die Altstadt. Sie war und ist durchaus sehenswert, stellte ich fest, viele Fachwerkhäuser, aber auch andere schöne, alte Gebäude, unter anderen auch mehrere Kirchen.
Vor einer Kirche setzten wir uns auf eine Bank und futterten Kekse und Schokolade, die ich in einer Umhängetasche mitgenommen hatte.
Ein Mann im mittleren Alter erschien und fragte: „Darf ich mich zu ihnen setzen? Ich muss mich dringend etwas ausruhen.“
„Aber selbstverständlich“, antwortete ich „hier können sogar ohne weiteres fünf Leute Platz finden.“
Er war vermutlich so alt wie ich, oder nur etwas älter. Er faltete seine Hände, guckte erst mit gesenktem Kopf nach unten und dann nach oben, in Richtung Glockenturm der Kirche. Dabei bewegte er die Lippen seines Mäulchens. Wir hörten allerdings nichts.
„Was macht denn der Mann?“ fragte Mariechen.
„Vermutlich betet er“, klärte ich das Mädchen auf.
„Och, so was ist doch überflüssig“, krähte Mariechen, „das nützt doch gar nichts. Das hab ich selber schon gemerkt und deshalb.....“
„Sei still“, ermahnte ich das Kind, „der Herr hier will jetzt bestimmt nicht gestört werden.“
Darauf hin redete Mariechen nichts mehr, auch der Marko blieb stumm.
Nach ungefähr einer Minute sagte der Mann: „So, ich bin fertig mit meinem stillen Gespräch mit meinem Herrgott“, und so nach einer kurzen Gedankenpause, „du, Mädchen, betest also nicht mehr zu Gott?“
„So ist es“, nickte mein Töchterchen.
„Meine Familie und ich sind halt keine fromme Menschen“, informierte ich, „wir sind noch nicht einmal gläubig. Ich weiß, hier in Dieburg sind die meisten Leute sehr fromm.“

„Ouh, das ist aber schlimm“ klagte der Mann, „da werden sie nicht ins Himmelreich kommen. Die Dieburger haben es da besser, in unserem Städtchen gibt es sechs Kirchen und die werden auch gebraucht.“
„Schön für die Leute hier, wenns wirklich so wäre. Mir ist euer Gott noch nicht begegnet“, äußerte ich.“
„Weil Sie sich nicht bemühen und deshalb in Sünde verharren. Ich begegne meinem Herrgott häufig,  wenn auch nur nachts in meinem Träumen. In denen aber regelmäßig.
Zuletzt beauftragte er mich, Atheisten zum Glauben zu führen.
Ich nehme an, Sie sind so einer, werter Herr. Tun Sie sich von ihrem Unglauben, am besten sofort, gründlich verabschieden.“
Natürlich wusste ich gleich,dass es vergeblich wäre,mit dem Mann darüber eine sinnvolle Diskussion zu führen und verspürte auch keine Lust in seine Gedanken Impfkristalle des Zweifels zu streuen. Sicher hätte da nur sein Gemüt arg gelitten.
„Na ja“, ich setzte eine gespielt überlegende Miene auf, „ich will noch einmal mein Hirn damit zermartern.“
Wir verabschiedeten uns dann.
„Wir zermartern jetzt aber nicht damit unser Hirn“, sagte Marko kurze Zeit später „wir müssen sofort eine Eisdiele besuchen. Das Gerede mit dem frommen Mann hatte zwar mein Hirn nicht irgendwie beansprucht, aber meine Gefühlslage ist sehr heiß geworden und  muss dringend durch gelutschte Eiskugeln einer kühlen Erfrischung entgegen streben.“
Solche Sprüche vom Marko überraschten mich nicht. Wenn die Aussicht besteht, Eis zu lutschen, spielt er immer den glühend erhitzten Bub.
In Dieburg sind viele Leute arg fromm
tun mehrmals jeden Tag inbrünstig beten
schauen ehrfürchtig hoch zum Glockenturm
tun selbst in Nachtträumen ihren Glauben vertreten.